Der Fachtag ‚Rollenwechsel‘ der Bundesinitiative Daheim statt Heim und des Instituts Personenzentrierte Hilfen an der Hochschule Fulda hat die Erwartungen übertroffen. Die Veranstaltung klärte nicht nur darüber auf, warum sich die deutsche Sozialbürokratie so schwer tut mit dem Persönlichen Budget, sie zeigte auch einen praktikablen Weg auf, um dies zu ändern.
Fulda, 17.11.2011. Diesmal hörten Fachleute den Betroffenen zu und nicht umgekehrt: Etwa 70 Experten und Verantwortliche aus Politik und Verwaltung erfuhren aus erster Hand, warum es für behinderte Menschen so schwer ist, ein Persönliches Budget zu bekommen. Obwohl schon seit 2008 ein Rechtsanspruch darauf besteht und obwohl die Sozialämter damit sogar Geld sparen könnten.
ModeratorInnen waren Silvia Schmidt, MdB und Vorsitzende von Daheim statt Heim, sowie Professor Petra Gromann von der Hochschule Fulda. Auch sie erfuhren aus erster Hand, wie Behörden mit allen Mitteln zu verhindern versuchen, dass ein behinderter Mensch selbst entscheidet, welche Hilfen er bei wem einkauft. Anträge werden verschleppt, immer neue, zum Teil intime Fragen gestellt und die Betroffenen damit zermürbt und verletzt. Ralf Bremauer vom Institut Personenzentrierte Hilfen: Behörden misstrauen behinderten Menschen als Experten in eigener Sache zutiefst, während sie die Angebote von Pflegediensten und anderen Sachleistungserbringern oft völlig ungeprüft akzeptieren.
Unverständlich ist das auch deshalb, weil Sozialämter oft sogar Geld sparen, wenn sie ein individuelles Budget akzeptieren, anstatt dem Betroffenen die üblichen Sachleistungen zu verordnen. Wer es trotz aller Widerstände geschafft hat, ein Budget zu bekommen, auch das wurde in Fulda deutlich, der hat ein großes Stück Freiheit und Selbstbestimmung hinzu gewonnen. Damit das in Zukunft mehr Menschen gelingt als in der Vergangenheit, entwickelten auf dem Fachtag in Fulda Betroffene und Experten gemeinsam einen Reformansatz, der sich schnell und wirkungsvoll umsetzen ließe: Durch eine Gesetzesänderung sollen Verwaltungen dazu verpflichtet werden, in jedem Einzelfall zunächst ein persönliches Budget anzubieten und dessen Details gemeinsam mit dem Betroffenen zu erarbeiten. Ziel ist es dabei natürlich, den behinderten Menschen in seiner eigenen Wohnung mit Hilfe individueller Angebote zu versorgen. Erst wenn dies durch die Umsetzung eines Persönlichen Budgets nicht gelingt, so der Vorschlag zur Gesetzesänderung, kann eine angebotszentrierte Leistung etwa durch ein Wohnheim genehmigt werden.
Verblüffend einfach? Theoretisch ja, allerdings funktioniert das Budget auch nach einer solchen Gesetzesänderung nur dann, wenn Sozialämter nicht weiter tricksen. Wie sagte doch die Mitarbeiterin eines Amtes einer Betroffenen: In unserer Region gibt es das Persönliche Budget nicht. – Eine gezielte Falschinformation, gemeinhin auch Lüge genannt.